Espace 67 – Eine mythische Destination

25. Dezember 2019 Mehr

Die Renovierung und Neugestaltung des ehemaligen Geländes der EXPO 67 in Montreal auf der Île-Sainte-Hélène durch den Designer und Architekten Lemay hat das geschichtsträchtige Gelände zu einer wichtigen Destination für die Stadt Montreal, aber auch für Besucher aus aller Welt gemacht. Hier treffen der Zauber und die Magie von 1967 auf das 21. Jahrhundert.

 

EXPO 67 in Montreal

 

Eine Stadt braucht auch Orte außerhalb ihres Kernes, außerhalb ihres urbanen Zentrums. Meist sind es Grünflächen, historische Bauten und Sehenswürdigkeiten. In Montreal ist es unzweifelhaft das Gelände der EXPO 67. Sie hatte damals schon den Charakter eines „Weltwunders“. Man zeigte zumeist Leichtbaukonstruktionen und wies mit neuen architektonischen Raumstrukturen, neuartigen Verkehrskonzepten und Weltraumfahrtvisionen einen technologischen Weg zur Bewältigung von Zukunftsproblemen. Das Motto der Ausstellung lautete „Der Mensch und seine Welt“ und man war der Ansicht, dass der Mensch die Natur beherrschen könne. Ein Fehlgedanke, der sich bis in die heutige Zeit durchzieht. Die in ihrem Zusammenhang errichteten Bauten galten teilweise als wegweisend für Architektur und Städtebau. Berühmt gewordene Hinterlassenschaften der Ausstellung sind die geodätische Kugel Biosphère des US-amerikanischen Architekten Richard Buckminster Fuller sowie der Wohnbaukomplex Habitat 67 des israelischen Architekten Mosche Safdie.

Mehr als 50 Jahre nach dieser erfolgreichsten Welt­ausstellung des 20. Jahrhunderts – sie hatte 50 Millionen Besucher – hat das Herz des Ausstellungsgeländes ein neues Outfit bekommen, um es auch in der Zukunft wieder attraktiv zu machen. Das Gelände mit der neuen Bezeichnung Espace 67 ist von dem transdisziplinären Designer Lemay und seinem Team gestaltet worden. Er hat seine Gestaltungsprinzipien in das Neu-Denken dieses Ortes eingebracht und ihn restauriert, umgeformt und den Bereich auf der Île-Sainte-Hélène in ein großes Entwicklungsprojekt verwandelt.

 

EXPO 67 in Montreal

 

Bestimmendes Element ist ein merkwürdiger, neuer, zentraler Boulevard, der die Biosphère mit Calders monumentaler „Trois Disques“ Skulptur am anderen Ende der Insel verbindet. Auf dem transformierten, multifunktionalen Gelände befinden sich heute ein 65.000 Sitzplätze umfassendes, natürliches Amphitheater, genauso wie ein Wanderweg entlang des Flussufers. Das Projekt enthält auch einen Eventbereich und eine natürliche Agora sowie viele öffentliche Plätze, die für eine Vielzahl von Funktionen im Laufe des Jahres verwendet werden können. Und natürlich auch Infrastrukturen wie WC-Anlagen, Pavillons und Restaurants.

Der Entwurf von Lemay vermischt die bezaubernde Naturlandschaft und die reiche Vergangenheit dieses außergewöhnlichen Ortes, um einen wirklich wandlungsfähigen Raum zu bieten und vielfältige Großveranstaltungen in der Zukunft abhalten zu können. Es ist praktisch die Neugeburt eines Bestimmungsortes in oder durch sich selbst. Indem er die Originalstruktur und Handschrift des Ortes aufgriff, hat der Planer erfolgreich die Kriterien und den Geist der EXPO in die Neugestaltung und Umstrukturierung einbezogen. Landschaft und gebaute Architektur sind integriert, urbanes Design, Markenzeichen und Signaturen vorhanden. Lemay schuf eine neue Attraktion in Harmonie mit der Landschaft und Kultur und enthüllt so den Genius Loci, der von den Uferlinien, Wasserflächen und den überwältigenden Aussichten auf die Stadt mit ihrer historischen Bedeutung im Hintergrund bestimmt ist.

Durch diesen integrativen Anspruch entwickelte und benutzte er ein adaptives Wiederverwenden samt einer holistischen Designstrategie, um die einzigartige Erfahrung der Besucher mittels Empfangsservice, variabler Eventzonen und einer verbesserten Orientierung inklusive Wegführung zu ermöglichen. Die Orientierung für den Menschen ist durch die Betonung der Nord-Süd-Achse auf diesem einzigartigen Platz verbessert. Sie formt den Raum in einem geometrischen Muster durch die schrägen Flächen und der ikonische zentrale Boulevard maximiert jetzt die Sicht auf die Skulptur von Calder. Dieser Boulevard zieht die Besucher von der Metro auf das Gelände mit seinen markanten Sitzbereichen, den Grünräumen und den atemberaubenden Blicken auf Downtown, Old Montreal und den St. Lawrence River. Die Informationspavillons beim Eingang und der Metrostation signalisieren bereits die Wichtigkeit dieser festlichen Paradefläche. Die seitlichen Wände und deren Gestaltung, die eine Integration und Verbindung mit der Natur vollziehen, sind eine Referenz an das Vokabular der EXPO 67. Auch die Dächer der Pavillons folgen dem geometrischen Muster der zentralen Achse, inspiriert von den Dreiecksformen der Biosphère Buckminster´s. Das Muster findet sich in den Bodenbelägen und Pflasterungen der Wege genauso wie in den Perforationen der umgebenden Wände.

 

Um die Besucherströme besser zu leiten, bezieht sich diese Neugestaltung auf die Qualität und Zeichenhaftigkeit der schon existierenden, gebauten und natürlichen Umgebung und vollzieht aber auch architektonische Referenzen der feierlichen Geschichte des Geländes mit ein, indem sie die Stimmung der Gemeinschaft der EXPO von 1967 wiederbelebt. Die Volumina, die Materialitäten, Fassaden und Beleuchtungen der Pavillons machen diese zu Leitelementen der Orientierung, sie führen den Besucher durch das Gelände indem sie Funktionen des Empfanges, der Information, als Restaurant oder Administration übernehmen. Die Positionierungen dienen auch dazu, die Menschenmassen während Großveranstaltungen zu führen. Das Amphitheater bedeckt zwar eine große Fläche, kann aber auch verschieden große und kleinere Events beherbergen und bietet einen einladenden Eindruck, auch wenn es nicht in Gebrauch ist.

Diese behutsame und strategische Integration von Natur, Kultur und Erinnerung eines Ortes hat eine einzigartige urbane Destination geschaffen, die sicherlich eine Attraktion für die nächsten Jahre darstellen wird und den städtischen Kontext von Montreal aufwertet.

 

Espace 67
Montreal, Kanada

Bauherr: Société du parc Jean-Drapeau
Planung: Lemay
Statik: WSP

Grundstücksfläche: 139.567 m2
Amphitheater: 57.160 m2
Naturplätze: 13.235 m2
Pavillons: 771 m2
Planungsbeginn: 03/2017
Bauzeit: 23 Monate
Fertigstellung: 05/2019
Baukosten: 28 Mio. Euro

 

 

 

Fotos: Marc Cramer, Société du Parc Jean-Drapeau, Lemay
Text: Peter Reischer

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Kategorie: Projekte