Baumhäuser
Es ist wohl der Traum jedes Kindes, ein Baumhaus zu bauen. Möglichst hoch oben in einem großen Wipfel einen Rückzugsort zu haben, mit Freunden hinaufzuklettern – dafür haben schon manche Kinder (und auch Eltern) ihre Freizeit geopfert. Aber auch in der Erwachsenenwelt sind Baumhäuser hoch im Kurs. Statt in einem Hotelzimmer kann man bereits in mehreren Ländern in Baumhäusern, Lodgen oder ähnlichen Konstruktionen die Nacht verbringen. Manche davon sind verhältnismäßig luxuriös ausgestattet, mit WC, Dusche und Kochgelegenheit.
Wahrscheinlich hängt diese Sehnsucht nach einem Baumhaus mit archetypischen Veranlagungen des Menschen nach Schutz vor wilden Tieren aus der Zeit der Jäger und Sammler zusammen. Während Kinder ihre Verstecke mit ein paar Brettern, Nägeln, Schnüren und eher improvisiert basteln, werden Baumhäuser für heute schon fast industriell angeboten. Alle gängigen Methoden der Konstruktion, des Massiv- und vor allem des Leichtbaus kommen zur Anwendung. Außerdem findet man interessante Details wie runde Fenster, die die Vorstellung von anthroposophisch sägenden Handwerkern hervorrufen. Im Folgenden wollen wir ein paar außergewöhnliche Beispiele vorstellen.
© Joe Fletcher
⇑Ein ganz schön großes „Baumhaus“ ist die Unterkunft des Pfadfinder Jamboree (= Großlager der Pfadfinder) im Summit Bechtel Reservat in den USA. 38 Meter hoch, wird die Architektur – entworfen vom Büro Mithun – von Corten-Stahlstützen getragen. Besucher können auf den diversen Pattformen im Inneren und im Außenraum bis zu den Wipfeln hinaufsteigen und so den Wald von unten bis oben erkunden. Durch ein innovatives System einer 6.450-Watt-Fotovoltaikanlage, zwei 4.000 Watt Windturbinen und einem Wasserbecken samt Abwasserreinigungsanlage ist der Bau völlig autark und netzunabhängig. Nebenbei fungiert das Baumhaus als Klassenraum um Besucher in nachhaltige Strategien einzuführen und ein Bewusstsein für unsere Ressourcen zu schaffen.
© Alasdair Jardine
⇑Manche Entwicklungen können auch ihre Tücken haben, wie folgende Story aus Berlin beweist: Hier hatte ein Vater für seine Kinder ein Baumhaus gebaut. Dieses hängt zweieinhalb Meter hoch in einem Zwetschkenbaum, ist zwei Meter lang wie breit und damit leider 59 Zentimeter zu breit und zu lang sowie 70 Zentimeter zu hoch, um der Norm zu entsprechen. Der dortige Kleingartenverein erhob nach drei Jahren Einspruch gegen das Baumhaus und klagte. Außerdem wurde mit einem Bußgeld von 50.000 Euro gedroht, falls das Baumhaus nicht wieder „abgerissen“ werde. Norm ist eben Norm, am Boden wie zu Baume. Dies gilt es zu berücksichtigen.
© Alasdair Jardine
⇑Der deutsche Architekt Andreas Wenning geht mit seinen Entwürfen und Planungen auf Nummer sicher. Dass diese Objekte nicht immer rechtwinkelig sein müssen, macht ihren Reiz aus. Das „Baumhaus Djuren“ steht auf vier geneigten, stählernen Stelzen in einer Höhe von ca. sechs Metern neben einer Gruppe von Eichen und gleicht einem ovalen Zylinder. An der Stirnseite gibt ein ebenfalls eiförmiges Fenster den Blick von der Schlafecke in den Wald frei. Verschieden hohe Plattformen führen mit Leitern zum Haus hinauf. Diese Ebenen dienen dem Aufenthalt, zum Beispiel für ein Frühstück im Wald.
© Alasdair Jardine
⇑ Beim Baumhaus Plendelhof hat der Architekt Wenning eine gewagt aussehende Dreiecksform in die Konstruktion integriert. Dieses schmale, auf einem länglichen Dreieck aufbauende Haus sitzt zwischen zwei Buchen und ist durch sich in der Höhe gabelnde Leitern erreichbar. Stahlseile fixieren die Statik in den Bäumen und tragen gleichzeitig teilweise die Grundstruktur.
© Rick Godin
⇑ Gleich eine ganze Infrastruktur von Wegen, Pavillons, Plattformen, Stiegen und Verbindungen hat Architekt Charles P Reay über den Baumkronen des Adirondack Parks in Upstate New York errichtet. Der „Wild Walk“ liegt in einem 32 Hektar großen Naturreservat einer Non-Profit-Organisation. Man könnte hier gewisse systemische Parallelen zum Projekt der High Line in New York City ziehen (architektur 8/14). Die Besucher haben die Möglichkeit, in etwa zwölf Metern Höhe einer Reihe von Brücken zu folgen und so eine neue Perspektive auf den Wald zu erleben. Die Stützpfeiler der Gehwege sind aus vorverwitterten Stahlsäulen konstruiert, deren rostbraune Farbe der von Holz gleicht. Für die anderen Teile wurde aus Kostengründen galvanisierter Stahl verwendet.
© Piers Taylor
⇑Das englische Invisible Studio hat sich selbst eine Werkstatt mit Studio im Wald gebaut und dafür nur recyceltes Material und unbehandeltes Holz aus der unmittelbaren Gegend verwendet. Der Bürogründer baute das Haus in rund zwei Monaten mithilfe von Freunden, Kollegen und Nachbarn, von denen niemand zuvor ein Haus gebaut hatte. Sie benutzten nur Skizzen und entdeckten und erforschten während des Prozesses die Technik des Bauens in einem kooperativen Vorgang. Fehler des ungelernten Teams blieben im Bauwerk sichtbar und man unternahm keinerlei Versuche, sie zu kaschieren. Das 55 m² Studio steht auf Stützen, der Platz darunter wird für Workshops genutzt. Die Außenseite ist mit schwarz gestrichenen OSB-Platten verkleidet, darauf sind streifenförmig Abfallretter genagelt – unbehandelt, damit sie mit der Zeit vergrauen und das Haus in der Umgebung verschwindet. Die Kosten betrugen ca. 17.500 Euro.
© Josef Herfert
⇑ In Österreich gibt es mittlerweile im Waldviertel bei Schrems in einem kleinen Waldstück neben einem aufgelassenen Granitsteinbruch eine Baumhaus-Lodge. Haus an der Mauer, Haus am Fundament, Turmhaus heißen die ersten Unterkünfte, die 18 m2 beziehungsweise 40 m2 Wohnnutzfläche bieten. Auch sie sind von Architekt Wenning entworfen. Die aus Kreuzlagenholz mit Aluminium beplankten Container wurden zwischen Bäumen auf Stahlkonstruktionen montiert und verfügen über Wohn-Schlafräume, ein Bad mit Toilette sowie einen Balkon oder eine Dachterrasse. Die Häuser wurden in ökologisch wertvoller Holzbauweise (Brettschichtplatten) errichtet und können aufgrund des Wärmedämmwertes das ganze Jahr genutzt werden. Die Häuser sind mit Strom-, Wasser- und Abwasseranschluss sowie Pellets-Einzelöfen zur Beheizung ausgestattet.
© London Fieldwork
⇑Auch in Schottland kann man sich in ein Baumhaus zurückziehen. Wie der Name „Outlandia“ schon andeutet, ist es die Einsamkeit, in die man sich in einen kleinen Raum, wie ein Eremit verkriechen kann. Es ist ein komplett netzunabhängiges Häuschen in Glen Nevis, Lochaber. Ein flexibler Treffpunkt für Versammlungen kreativer Geister im Wald, um zu forschen, zu arbeiten oder nachzudenken. Geplant wurde er von London Fieldworks und entworfen von Malcolm Fraser Architects.
© Henrietta Williams
⇑Dorset scheint ein Eldorado der Baumhäuser zu sein. Ebenfalls hier, von einem überdimensionalen Dach geschützt, liegt das Baumhaus, welches die AA (Architectural Association´s Design and Make) Absolventin in einem Eichenwald gebaut hat. Sie war von einem Schriftsteller damit beauftragt worden. Mit einem kleinen Team konstruierte man das 8 x 8 Meter große Haus auf Stelzen. Diese bestehen aus wiederverwendeten Telegrafenmasten. Der Raum hat zwei Ebenen und ist mit einem kleinen Holzofen, einem Schreibtisch und einem, unter dem Boden verborgenen, Bett ausgestattet. Innenverkleidungen sind aus Holz und Kork um eine gewisse Isolierung zu schaffen, das Fenster aus recyceltem Glas und die Gesamtkon-struktion aus Fichtenholz – sie wurde vorgefertigt und an Ort und Stelle mit akkubetriebenen Geräten montiert. Ein perfektes Refugium, um sich zurückzuziehen und neue Ideen für das nächste Buch zu sammeln.
© Johan Jansson
⇑ In Nordschweden erlebt man beim Näherkommen an das Baumhaus, das Snøhetta als Erweiterung des Tree Hotels errichtet haben, eine Überraschung: Zehn Meter über dem schneebedeckten Boden befindet sich die Plattform, auf welcher der „7th Room“ steht. Der Boden, also die Untersicht dieser Ebene, ist mit einem riesigen, 12 x 8 Meter schwarz/weißen Siebdruck verkleidet, der den Blick durch die Baumwipfel gen Himmel zeigt und damit eine verblüffende Optik entstehen lässt.
Zwölf Säulen tragen die Plattform und minimieren den Eingriff in den Waldboden. Ein Stiegenhaus führt hinauf zu den, im traditionellen nordischen Stil eingerichteten, Kabinen. Die Außenfassade ist mit verkohltem Holz verkleidet, um den Körper besser mit der Umgebung verschmelzen zu lassen. Die Fußböden sind aus Esche und die Wände aus Birkensperrholz – so ergibt sich ein schöner Kontrast von Hell im Inneren und der dunkeln Außenseite.
© Daniel Barreto
⇑Auch der aus Boston stammende Künstler Daniel Barreto hat sich mit dem Thema Baumhaus auseinandergesetzt. Seine Kunst ist allerdings digitaler Natur. Er hat seine kleinen urbanen Environments in Bäume und Stämme einer natürlichen Umgebung transplantiert und erzeugt so mit seinen „Woodhouses“ märchenhafte, mystische Eindrücke.
© Ricardo Oliveira Alves
⇑ Zwei „Baumschlangenhäuser“ findet man im Pedras Salgadas Park in Portugal. Gleich hinter der Küste von Porto haben Luís und Tiago Rebelo de Andrade diese Erholungs- und Rückzugsorte in einem kleinen Wäldchen errichtet. Beide sind in einem modularen System gebaut, das eine jederzeitige Anpassung an Klima oder Landschaft erlaubt. Zwei lange Brücken führen, sich ständig erweiternd, zum Eingang der Architekturen. Diese sind in Referenz an den Kopf einer Schlange gestaltet. Beide Einheiten sind mit einer kleinen Küche und einer Waschgelegenheit ausgestattet, die Hauptattraktion ist natürlich das Schlafzimmer mit Oberlicht und einem großen Fenster, welches den Ausblick ins üppige Grün bietet.
© Alexander Mourant
⇑Es muss nicht immer fest gebaut und aus Holz oder Metall sein, dachten sich die Entwickler des „Hanging Tent“. Der Firmengründer der „hanging tent Company“ war überzeugt von seiner Idee und wollte das Produkt transportabel haben. Und das ist es auch: „Roomoon“ ist eine Behausung, die es dem Benutzer erlaubt sich mittels eines Flaschenzuges selbst in die Baumkronen zu hieven. Innerhalb von 45 Minuten ist das Objekt aufgebaut, der 1,8 Meter große ebene Boden lässt sich zusammenrollen und das Ganze passt in den Kofferraum normaler PKWs.
© Sandy Steele-Perkins
⇑Ein neues Level der luxuriösen Stadtflucht kann man in Woodman´s Treehouse im Wald von Dorset, England genießen. In den Ästen einer alten Eiche erstreckt sich das Baumhaus über gleich zwei Ebenen. Hier verbindet sich Handwerk mit Natur und Design. Ein Höhepunkt ist die eigene Sauna samt Whirlpool auf der oberen SPA-Ebene sowie eine Open-Air-Dusche unter den Zweigen der Eiche. Der Entwurf des Baumhauses stammt von BEaM, Guy Mallinson Woodland Workshop und das Projekt ist komplett aus lokal gewonnenen Materialien errichtet und somit der Eingriff in die Natur limitiert.
© Blue Forest
⇑Im angelsächsischen Raum sind Baumhäuser weit mehr verbreitet als in Österreich. In England (aber auch außerhalb) bietet ein Unternehmen professionelle Beratung und Planung für Baumhäuser an – egal ob ein Spielhaus für Kinder, ein Künstleratelier oder einen Rückzugsort für die Familie. Unterschieden wird hier zwischen Design-Baumhaus und normalem Baumhaus. Egal wie, das Objekt wird schlüsselfertig hergestellt, inklusive Planung, Berücksichtigung von Normen, Einreichung und baubehördlicher Genehmigung. Sogar eine Nachbetreuung wird angeboten.
Text: Peter Reischer