Erlebnisbad Aquamotion, Courchevel

27. Juni 2016 Mehr

Baden in den Alpen.
Aquamotion / Courchevel / Auer Weber Architekten BDA
Die Ursprünge der europäischen Badekultur liegen in der Antike, als öffentliche Badehäuser auch eine wichtige soziale Funktion hatten. Auch die Römer wussten zu baden, sie zelebrierten diese Tätigkeit und die vielen erhaltenen, antiken Thermen geben Zeugnis von der ausgeprägten Badekultur der damaligen Zeit. Wir haben uns weiterentwickelt und das Baden ist immer luxuriöser geworden. Es dient nicht mehr nur der Reinigung und der Gesundheitspflege, sondern die Aspekte des „Erlebens und des Genießens“ treten immer mehr in den Vordergrund.

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So ist auch das Erlebnisbad „Aquamotion“ in Courchevel, einem mondänen Skiort in der „Savoie“ zu verstehen. Die Gegend ist eines der größten zusammenhängenden Skigebiete der Welt. Das Erlebnisbad befindet sich in einer Talsenke zwischen den Bergstationen Courchevel 1550 und Courchevel 1650, von wo aus sich spektakuläre Panoramen auf die umgebende Bergwelt eröffnen: im Süden die Hochgebirgskulisse, im Norden eine weiche Berglandschaft mit verstreuten Almhütten und dem dahinterliegenden Mont-Blanc-Massiv. Das Bad ist von fast allen umgebenden Berghängen und Bergstationen aus gut sichtbar.

Seiner prominenten Lage und Einsehbarkeit entspricht das Projekt völlig, vor allem seine fünfte Fassade, die Dachlandschaft und deren Einbindung in die Umgebung, spielen dabei eine entwurfsbestimmende Rolle. Die wie eine Landschaftsscholle geformte Skulptur des Dachschirms wird einerseits durch den charakteristischen Straßenverlauf der RD 91 und andererseits durch das Bett des Gebirgsbachs „Gravelles“ begrenzt. Wobei die Bezeichnung „Schirm“ als Schutz vor Wetter, Sicht und Klima einen realen Bezug bekommt. Die Auer Weber Architekten trachteten einen behutsamen Umgang mit den örtlichen Gegebenheiten und die sorgfältige topografische Einbettung des Gebäudes in die Landschaft zu realisieren. Durch die Ausformulierung eines „Landschaftsprojektes“ wird der Eingriff in die Natur so gering wie möglich gehalten.

Das Bauwerk entwickelt sich aus der Umgebung und identifiziert sich mit ihr. Angeschmiegt an das geschwungene westliche Ufer des Bachbetts schwingt sich die Architektur sanft nach oben und öffnet sich zur Straße. Unter dem Dachschirm bietet sie genügend Raum, um die zahlreichen Funktionen des Bades aufzunehmen. Senkrechte, zwischen Decke und Boden eingestellte, eingerückte Fassaden bilden den Raumabschluss zum Straßen- und Vorplatzraum im Norden und Westen. Die Böschung des Steilhangs im Osten findet im begrünten Dach des Gebäudes eine natürliche Fortsetzung. Einschnitte, die durch linsenförmig aufgewölbte Kuppelelemente in der Dachfläche betont werden, versorgen das Gebäudeinnere mit natürlichem Licht. Die plastischen, holzgedeckten Kuppelelemente sowie die Dachränder der Landschaftsscholle kontrastieren in ihrer Materialität mit der begrünten Dachfläche. Während die Lichtkuppeln im Sommer klar ablesbar sind, wird das Ensemble im Winter zu einer weichen Schneelandschaft aus Flächen, Hängen und Hügeln, deren beleuchtete Einschnitte eine bizarre Schneeskulptur in die nächtliche Winterlandschaft zaubern.

Entlang des Bachlaufes definieren zwei große, organisch geformte Einschnitte im Dachschirm die gewünschten Außenbereiche mit ihren Liegezonen. Sie sind nach Süden ausgerichtet und somit optimal besonnt. Der großzügig auskragende Dachschirm als östlicher Abschluss der Landschaftsscholle formuliert gemeinsam mit dem zentralen westlichen Vorplatz den Eingang zum Bad. Durch die konkave Glasfassade gelangt der Besucher in die dreigeschossige Eingangshalle. Sie ist Orientierungs- und Knotenpunkt und steht dank der transparenten Fassaden sowohl mit dem Außenbereich als auch mit den Schwimmbecken in Sichtbeziehung. Von hier aus erschließen sich der untere Empfangsbereich und die Umkleideräume des Bades sowie nördlich der Halle der über mehrere Ebenen organisierte Restaurantbereich. Von der oberen Etage des Restaurants blickt man sowohl auf die tiefer gelegene Badezone als auch auf das Bergpanorama im Norden.
Die Dynamik der Außenform spiegelt sich im Inneren wider und wird durch die landschaftliche Organisation der zwei Niveaus und deren Vermittlung über großzügige, bewegte Stufenanlagen, welche sich von innen nach außen kontinuierlich fortsetzen, zum gestaltprägenden Leitbild für den Badebereich. Im Osten entwickelt sich die eigentliche Wasser- und Freizeitlandschaft des Bades: Ein großer, offener Raum erstreckt sich über zwei Niveaus und ist lediglich durch transparente Fassaden unterteilt. Alle Aktivitäten und Attraktionen sind somit überschaubar, alle wichtigen Funktionen und Ausblicke visuell und räumlich vernetzt: Familienspaß im unteren Bereich, Wellness im oberen mit Blick über den Spaßbereich und auf das grandiose Bergpanorama des Mont-Blanc-Massivs.

Aquamotion
Courchevel, Frankreich
Bauherr:
Stadt Saint-Bon-Courchevel
Planung: Auer Weber Architekten BDA, Studio Arch. Chanbéry
Statik: Tractebel Engineering, Bollinger + Grohmann Ingenieure
Grundstücksfläche: 17.000 m2
Planungsbeginn: 2008
Bauzeit: 3 Jahre
Fertigstellung: 12/2015

Text: Peter Reischer
Fotos: ©Aldo Amoretti

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Kategorie: News