Architektur und Vermarktung

20. Februar 2020 Mehr

Bei der Behandlung des gesetzten Leitthemas unserer „People“ Sonderausgabe „Architektur für die Zukunft“ darf der Bereich, der letztendlich für die Vermarktung der gebauten Werke verantwortlich ist, mit seiner ganz speziellen Sichtweise nicht fehlen. Exemplarisch für die Immobilienbranche sprachen wir mit Ing. Mag. Peter Weinberger, einem der beiden Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien.

 

Ing. Mag. Peter Weinberger Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien
© Petra Spiola

 

Welche Bedeutung hat der Themenbereich Architektur für Sie und Ihr Unternehmen?
Die Architektur hat zweifelsfrei einen großen Stellenwert beim Verkauf einer Immobilie. Auffällig ist aber, das manche Architektur etwas übertrieben ist und die Käufer diesen Anspruch gar nicht haben. Oftmals wird dadurch das Objekt unnötig verteuert, da die Konsumenten diese Ansprüche gar nicht stellen.

Ein Beispiel dafür?
Etwa der Einsatz von teuren Materialen nur für die optische Wirkung. Oder die derzeit modischen Galerien, die der zukünftige Nutzer in Wahrheit aber so gar nicht braucht. Ab und zu geht meiner Meinung nach die Architektur den Weg des zu Schönen, des zu Prunkvollen und damit einhergehend des zu Teuren. Die aktuelle Situation am Markt ist aber ohnedies angespannt, da wir mit sehr hohen Grundstückspreisen konfrontiert sind und das Bauen selbst ebenfalls recht teuer ist. Wenn dann auch noch die Architektur über ein vernünftiges Maß schießt, wird die Immobilie für viele einfach unleistbar. Es ist jedenfalls ein klarer Trend, dass sich architektonisch einfacher ausgeführte und kostengünstigere Objekte wesentlich leichter verkaufen lassen. Das größe Problem bei der Umsetzung des Wohntraums ist die Leistbarkeit – die Leute wollen schon etwas Schönes, aber wenn sie sich das nicht leisten können?

Wie steht es mit der Bedeutung der Nachhaltigkeit? Ist das ein Thema für Ihre Käufer?
Ehrlicherweise ist es derzeit noch kein wesentliches Thema bei der Kaufentscheidung. Aber es ist zu merken, dass das Interesse an Umweltschutz und Nachhaltigkeit steigt. Bei annähern gleichem Preis fällt schon jetzt die Wahl eher auf Projekte, die mit nachhaltigen Baustoffen entstanden sind. Die Kaufentscheidung selbst basiert aber weniger auf technischen Kriterien, es wird überwiegend emotional entschieden. Da ist eher das Thema „schön“ und „weniger schön“ entscheidend.

Man kann also einen höheren Preis nicht mit Nachhaltigkeit argumentieren?
Ich fürchte, das kann man nicht, da es die Leute nicht zahlen können. Wir sind in Summe für nationale Verhältnisse schon sehr teuer. Meiner Meinung nach sind wir bei den Immobilienpreisen in Österreich sogar schon am oberen Ende des Leistbaren.

Gibt es Unterschiede zwischen dem Projekt- und dem Privatverkauf?
Was sicher viel komplexer ist, ist ein Projekt vom Plan weg zu vermarkten. Objekte zur Eigennutzung lassen sich so nur sehr schwer verkaufen. Bei Anlageobjekten, wo der Käufer als Investor nicht selbst Nutzer sein wird, ist es hingegen einfacher. Hier stehen das Vermieten und die Rendite und nicht das selber Wohnen im Vordergrund. So gesehen ist der Unterschied zwischen Eigennutzung und Anlage gravierend und muss bei der Vorbereitung der Vorverwertung, des Verkaufens ab Plan, besonders berücksichtigt werden.
Gebrauchtimmobilien lassen sich dem gegenüber einfacher verkaufen, da die Interessenten die Immobilie sehen, fühlen und auch das Umfeld erleben können. Speziell im Osten wird gerne an der Mauer geklopft. Und da gebrauchte Immobilien gegenüber neuen Objekten in der Regel etwas günstiger sind, ist der Entscheidungsprozess in der Regel bei bestehenden Objekten etwas kürzer.

Verkaufen vom Plan weg – wie kann man sich das vorstellen? Den Plan in die Realität zu denken fällt auch Fachleuten nicht immer so leicht!
Wir nutzen dafür zunehmend die virtuelle Welt und machen die Objekte durch Virtual-Reality-Touren erlebbar. Ich denke, dass diese Technologie in Zukunft einen Aufschwung erleben wird. Aktuell bringen die VR-Touren aber noch keine spontanen Kauf­entscheidungen. Das wird erst passieren, wenn man diese Besichtigungen zu Hause am Fernsehbildschirm machen und mit der ganzen Familie durchführen kann.
Dann wird auch die Vermarktungsvorbereitung für ein Projekt eine neue Bedeutung bekommen. Derzeit ist VR bei der Vermarktung aber eher noch ein schönes Spiel.

Der Digitalisierungsgrad der Bauwirtschaft nimmt rasant zu. Wie sieht es da im Bereich der Vermarktung aus?
Die nachfolgenden Generationen leben viel digitalisierter und das wird auch unsere Branche zunehmend betreffen. Für unseren Bereich kann das neben den erwähnten VR-Touren etwa auch den Einsatz von Robotern bei den Erstbesichtigungen bedeuten – der Interessent öffnet die Tür mit dem übermittelten Code und im inneren führt ein Roboter durch die Immobilie. Für die tatsächliche Kaufentscheidung wird meiner Meinung nach aber weiterhin der persönliche Kontakt wichtig sein. Rein digital glaube ich nicht, dass der Vertrieb einer Immobilie funktioniert.

Hat es bei der Vermarktung Vorteile, wenn das Projekt von einem sehr bekannten Architekten stammt?
Ja, ich glaube schon, dass es ein Vorteil ist. Aber nur dann, wenn der Preis deswegen nicht höher ist.

Und wieder der Preis? Ist nur der entscheidend?
Der Preis ist eben ein sehr wichtiges Kriterium und im Durchschnitt das Essentiellste.
Es hilft dem Interessenten nichts, wenn alles super ist und gefällt, aber er erhält keine Finanzierung und kann es sich nicht leisten.
Ich spreche da vom durchschnittlichen Menschen und nicht von den Mehrverdienern. Letztendlich zählt das Preis-Leistungsverhältnis und natürlich auch die Lage. Aber in Summe wird es weniger darauf ankommen, wer das geplant und gebaut hat, wenn es gut geplant und gebaut ist.

Es gibt also im Verkauf keinen Bonus für bekannte Architekten?
Ich glaube nicht, dass es einen Bonus dafür gibt. Aber zweifelsfrei sind Objekte von Architekten, die sich persönlich sehr stark bei ihren Projekten einbringen und ergründen, was sie selber gerne hätten, was sie stört, und die das dann bei der Umsetzung berücksichtigen mehr gefragt. Am Markt zählt nicht nur die Optik – gefordert ist vielmehr die Funktionalität. Wo die fehlt, wird es für uns schwierig.

In welche Richtung wird sich der Immobilienmarkt weiter entwickeln? Preislich hoffen Sie ja offensichtlich, dass es nicht noch teurer wird. Wie sieht es bei den Nutzflächen aus? Wie bei den Lagen?
Ein immer bedeutenderes Kriterium ist die Erreichbarkeit. Ein Großteil der jungen Menschen in den Städten besitzt heute kein eigenes Auto mehr – und viele wollen auch keines. Im ländlichen Bereich kommt dem öffentlichen Verkehr bei der Kaufentscheidung eine sehr große Rolle zu.
Bei den Nutzflächen erwarte ich keine weitere Reduktion. Wenn ich einen Interessenten fragen würde, ob er für 400.000 Euro 100 Quadratmeter will, oder 50, würde der Intelligente fragen „wo“. Sie sehen, neben dem Preis ist es auch eine Frage der Lage und ich glaube auch nicht, dass generell der Wunsch nach kleinen Wohnflächen besteht. Wir haben zwar viele Singlehaushalte, dort ist Größe sicher ein Thema. Wenn man aber von Jungfamilien oder Familien spricht, werden 50 Quadratmeter nicht wirklich reichen. Es kommt also bei diesem Punkt stark darauf an, wer der Nachfragende ist.
Meiner Erfahrung nach kann eine gut geschnittene 75 bis 80 Quadratmeter Wohneinheit das Ideal darstellen. Man braucht keine 200, aber auch keine 50 Quadratmeter, wenn man selber darin wohnen will. Wichtig ist einfach eine vernünftige Zimmeraufteilung. Deswegen glaube ich nicht, dass Eigenheime in Zukunft kleiner werden.
Und aufgrund des Preis/Fläche-Verhältnis sehen wir auch, dass immer mehr Menschen in ländlichere Regionen ausweichen, da sie dort mehr Fläche für das gleiche Geld bekommen. Dort ist dann aber entscheidend, welche öffentliche Anbindungen vorhanden sind. Deswegen ist es für diese Gebiete enorm wichtig, die notwendige Infrastruktur zu haben, um das Leben auf dem Land zu ermöglichen.

Was verbinden Sie mit dem ­Begriff „grüner Wohnen“?
Wir wohnen schon vergleichsweise grün. Vor allem in den Ballungszentren ist das „grünere Wohnen“ in den Plänen schon zu erkennen, in den Errichtungen hingegen noch nicht. Ich sehe aber, dass dieses Thema von den Konsumenten schon angenommen wird. Die sommerlichen Temperaturen spielen da stark hinein – Klimaanlagen waren z.B. lange kein Thema, spielen heute aber eine sehr große Rolle. Deswegen liebe ich es, wenn ein Bauträger erklärt, er bereitet die Klimaanlage vor. Da denke ich: Mach sie oder mach sie nicht, was soll eine vorbereitete Anlage dem Käufer bringen? Oder wenn heute am Insektenschutz gespart wird. Ist ein stehendes Gewässer in der Nähe, ist der fehlende Insektenschutz ein Kriterium, das beim Verkauf ganz sicher angesprochen wird. Es sind oft Kleinigkeiten, an denen es dann scheitert.

Wenn Sie ein neues Projekt übernehmen: Sehen Sie da gleich, ob es leicht oder schwer zu verkaufen sein wird?
Ja, das sehen wir aufgrund unserer 35 jährigen Erfahrung eigentlich sofort. Wir freuen uns daher auch, wenn wir schon vor der Planung involviert werden und ergründen können, wer genau dort die Käufer sein werden. Es ist sehr logisch, sich mit den Zielgruppen und deren Anforderungen im Vorfeld auseinander zu setzen, um nicht an der Nachfrage vorbei zu bauen.
Dabei kristallisiert sich meistens eine Hauptgruppe heraus, für die eine Immobilie in Frage kommt – und an der man sich hauptsächlich orientieren kann. Sind deren Wünsche und Anforderungen dann eruiert, kommen von uns etwa die Vorschläge über die gefragten Wohnungsgrößen oder auch die erforderliche Ausstattung. Für ein erfolgreiches Projekt ist das Zusammenspiel von Planung, Errichtung und Vermarktung jedenfalls enorm wichtig – viele Bauträger laden uns als Immobilienvermarkter deshalb schon vor Baubeginn zur Zusammenarbeit ein. Daraus resultieren dann Projekte, die vermarktbar sind.

 

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Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen