PEOPLE – Architekt Dieter Henke
Die Architektur darf nicht den Technokraten überlassen werden.
Worin sehen Sie die Bedeutung und den gesellschaftlichen Nutzen der heutigen Architektur?
Ich finde Architektur und Raumplanung ist für die Gesellschaft grundlegend sehr wichtig. Schließlich umgibt uns die bebaute Landschaft und beeinflusst somit das Wohlbefinden und mitunter auch das Verhalten der Menschen im Alltag. Auch in Bezug auf die Raumbildung in dicht besiedelten Gebieten hat die Disziplin einen hohen Stellenwert.
Die Zersiedelung von Städten stellt gemäß Dieter Henke eines der größten Probleme der heutigen Zeit dar. Diese Tendenz hat negative Auswirkungen wie ein erhöhtes Verkehrsaufkommen zur Folge.
Wo liegt hier der Stellenwert der Architektur? Hat diese Disziplin Ihrer Meinung nach heute eine größere Bedeutung als früher?
Meiner Meinung nach war der bebaute Raum für die Gesellschaft immer von großer Bedeutung. Vor allem Entwicklungen in den letzten Jahren haben aber aufgezeigt, dass die Architektur in Bezug auf die Raumnutzung heute so wichtig ist wie noch nie.
Um welche Entwicklungen handelt es sich dabei? Wie nimmt die Architektur und Raumplanung Einfluss auf das Erleben des Raums?
Zu erwähnen wäre hierbei einerseits die Zersiedelungstendenz, mit der heute viele Städte zu kämpfen haben. Hier haben es Architektur und Raumplanung, aber auch die Politik verpasst, rechtzeitig Maßnahmen zu setzen. Als Folge davon leiden Ortsbild sowie Umwelt gleichermaßen. Denn ist es erst einmal zur Zersiedelung gekommen, resultiert dies in einem vermehrten Verkehrsaufkommen. Für den Öffentlichen Verkehr ist es dann sehr schwer, solche Streusiedlungen hinreichend abzudecken – viele Menschen sehen sich dann vermehrt gezwungen, auf den Pkw umzusteigen.
Dieter Henke ist bereits seit 1980 als Architekt tätig. Gemeinsam mit Marta Schreieck realisiert er seit 1982 in ganz Österreich umfangreiche Bauwerke – zu seinen jüngsten Projekten zählt unter anderem der Erste Campus in Wien.
Welchen Problemen muss sich die Architektur heute stellen, um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken?
Es gilt, attraktives Wohn- und Freizeitangebot im bereits bebauten Gebiet zu schaffen. Auch sollten Bauprojekte möglichst dort realisiert werden, wo bereits ein Angebot an öffentlichem Verkehr besteht.
Wo sehen Sie derzeit die Chancen in der Baubranche?
Es gibt immer wieder technologischen Fortschritt, der den Bereich des Möglichen erweitert. So wird heute schneller gebaut als jemals zuvor. Eine Weiterentwicklung der Technik ist aber nicht auf die heutige Zeit beschränkt – diese hat es immer gegeben und wird es immer geben.
Welchen Herausforderungen muss sich die Architektur heute noch stellen?
Die technischen Vorschriften im Bereich der Architektur und Raumplanung werden zunehmend komplizierter. Der Architekt selbst hat zwar großes Wissen und ist auch dazu imstande mit Räumen umzugehen, allerdings ist er durch zum Teil sehr strikte Regelungen stark eingeschränkt. Viele Bauwerke werden daher eher von Technokraten als von Architekten entwickelt. Auf diese Weise wird bei etlichen Projekten natürlich viel Potenzial verspielt.
Wie kann die Architektur auf eine solche Entwicklung richtig reagieren?
Der Architekt ist natürlich dazu angehalten, innerhalb der vorgegebenen Grenzen das Beste aus einem Projekt zu machen. Damit ein Wandel stattfinden kann, ist die Politik aber dazu angehalten, die Architektur wieder mehr in die Hände des Architekten zu legen. Immerhin handelt es sich bei Planern um Fachkräfte, die nicht nur über technisches, sondern auch ästhetisches Können verfügen.
Projekte sollen für Menschen gebaut und öffentlich zugänglich sein. Ein Positivbeispiel stellt dabei das Museumsquartier dar.
Welche Entwicklung in Bezug auf die Architektur und Raumplanung sehen Sie in Österreich als positiv an – welche Tendenz erleben Sie als negativ?
Als besonders positiv erlebe ich in der Architektur generell – und das ist nicht auf Österreich beschränkt – Projekte, die für die Menschen geschaffen werden. Hierbei handelt es sich unter anderem um Bauwerke oder Plätze, die der Öffentlichkeit zugänglich sind und Räume in der Stadt schaffen. Diese sorgen für die Belebung eines Orts. Zu erwähnen ist hier unter anderem das Museumsquartier, das einen ganzen Ortsteil innerhalb Wiens geprägt hat.
Wie bereits erwähnt, betrifft ein Trend, der mir in den letzten Jahren als eher negativ aufgefallen ist, die Zersiedelung der Landschaft. Immer größere Distanzen zwischen Wohnungen, Versorgungseinrichtung und Arbeitsstätten führen zu einem höheren Verkehrsaufkommen, was die Umwelt belastet. Als konkretes Beispiel ist hier der Speckgürtel im Umland Wiens zu erwähnen.
Text:©Dolores Stuttner
Kategorie: Kolumnen