architektur FACHMAGAZIN 30 Magazin
Zwischen Leuchtturm
und Arche Noah
Betreten wird das Wohnhaus über eine Rampe – und
hiermit ist auch schon das erste Zitat aus dem Bootsbau
zu finden. Die Eingangsfassade ist leicht zurückgesetzt,
um einen Parkplatz für ein kleines Auto zu
schaffen. Nach unten gelangt man zum Ausgang in
einen verwunschenen Garten und die Schlafräume,
nach oben in die Wohnbereiche, zum Home Office und
als Krönung in einen halbkreisförmigen Wintergarten.
Überall begegnet man Zitaten aus der Welt der
Seefahrt, relingähnliche Geländer, halbkreisförmige
Sitzterrassen, bullaugenförmige Fenster und Lampen,
wie man sie oft auf Schiffen finden kann. Die augenscheinliche,
holistische und innovative Designstrategie
erbrachte ein außergewöhnlich nachhaltiges Wohnhaus.
Fast ausschließlich recyclierbare Baumaterialien
wurden verwendet, eine hybride, natürliche und auch
mechanische Strategie sichert Heizung, Kühlung und
Lüftung. Ein Gasheizgerät erzeugt Heißwasser für die
Fußbodenheizung, die durch Blechradiatoren unterstützt
wird. Frischluft im Wohnbereich wird durch eine
MVHR (Mechanical Ventilation with Heat Recovery)
geliefert, dabei benutzt man den sogenannten Coanda
Effekt durch Umlenken der Luftströme an die Decke
und die Kaminwirkung der Oberlichten. Sie bezieht
ihre Frischluft aus den beschatteten Außenräumen
und kann auf Kühlbetrieb umgeschaltet werden. Einem
Hitzestau durch übermäßige Sonneneinstrahlung wird
durch die laternenförmigen Oberlichten begegnet.
Um Kosten zu sparen, beschlossen die Eigner das
Haus im Selbstbau zu errichten und nahmen dafür
auch längere Bauzeiten in Kauf. So begann man die
aus Ziegeln erbaute Konstruktion des Untergeschosses
bereits 2007. Die vorfabrizierte Holzhülle wurde
2013 errichtet. Das Haus wurde 2014 als Rohbau zum
ersten Mal bewohnt, allerdings provisorisch und mit
Einschränkungen. 2016 deckte man das Dach mit
Zinkblech und verputzte die Wände, alles zusammen
mit einem Budget von 730.000 Euro. Heute ist der
Bau mit diversen Preisen ausgezeichnet und für weitere
bereits vorgeschlagen.
Eindeutig vom Bootsbau beeinflusst zeigt sich ein Wohnhaus in London,
entworfen von Birds Portchmouth Russum Architects. Frei stehend presst
sich der elliptische Grundriss zwischen die Nachbarhäuser in das schmale
Grundstück. Die Form bewirkt – sowohl bei den Nachbarn wie auch beim
Haus selbst – eine bessere Belichtung und mehr Sonneneintrag. Das große
Volumen des Innenraumes bewirkt eine schwungvolle natürliche Ventilation.
Die fensterlosen Seitenwände sind stark isoliert und sichern so,
zusammen mit dem tonnenförmigen Dach, eine effiziente Energiebilanz.
Fotos: Nick Kane