45 www.architektur-online.com architekturszene
Weltkriegs unter dem Einfluss des Kommunismus
und stellte eine der wichtigsten
Hauptstädte des Ostblocks dar. Daher wundert
es nicht, dass viele Bauten der Metropole
Ungarns auch heute noch pragmatisch
erscheinen. Auch an einigen Straßennamen
lässt sich der sowjetische Einfluss der
Nachkriegszeit erkennen.
Wien war im 20. Jahrhundert stets als
„Hochburg des Sozialismus“ bekannt.
Zeugnis hiervon legen die massiven Wohnsiedlungen
der 1920er Jahre ab. Stadtteile
um den Raben- oder den Karl-Marx-Hof
erinnern mit ihren Torbögen, sowie kleinen
verwinkelten Gassen an Burghöfe aus dem
Mittelalter. Viele der Bauten sind bis heute
gut erhalten und stehen der Bevölkerung
als Gemeindewohnungen zur Verfügung.
Die Kompromisslosigkeit des
20. Jahrhunderts
Ein neues Kapitel des Städtebaus begann
entlang der Donau mit der Auflösung der
Monarchie. Schon kurz nach dem ersten
Weltkrieg wuchsen mit der Wirtschaft auch
die Städte. Eine Konstante stellte in beiden
Metropolen ironischerweise stets die Veränderung
dar und die Stadtentwicklung des
20. Jahrhunderts unterscheidet sich von
den vorhergehenden Epochen stark. Denn
in früheren historischen Perioden vollzog
sich die Veränderung der urbanen Räume in
kleinen Schritten – das Aussehen der Stadt
galt damit als berechenbare Konstante mit
reguliertem Wachstum. Doch mit dem 20.
Jahrhundert wurde die schnelle Veränderung
als Spiegelbild des gesellschaftlichen
Umbruchs zur Selbstverständlichkeit. Die
städtebauliche Transformation stand dabei
nicht immer unter positiven Vorzeichen.
Denn während des 20. Jahrhunderts zerstörte
Europa in kurzer Zeit während der
Weltkriege mindestens genauso viel, wie es
wieder aufbaute. Und für die Eliminierung
ihrer gebauten Umgebung brauchten die
Städte dieselbe Energie auf, wie sie später
in ihre Zukunftsplanung steckten. Vor allem
nach dem Krieg musste es schnell gehen.
Nach dem Wiederaufbau war beispielsweise
im immer stärker wachsenden urbanen
Raum das Bedürfnis nach Wohnraum vorhanden.
Die städtebauliche Qualität hatte
im Angesicht der Wohnungsnot einen untergeordneten
Stellenwert. Somit öffnete
der Wiederaufbau einem neuen, nüchternen
Baustil die Tore. Der daraus entstandene
Modernismus mit seiner pragmatischen
Bauweise schlug in Wien und Budapest jedoch
verschiedene Wege ein. Während die
Häuser in der Hauptstadt Österreichs mit
Elementen wie dem Satteldach ihre traditionelle
Form behielten, fand in Budapest
eine bisweilen kompromisslose Moderne
ihren Einzug. Viele Arbeitersiedlungen wurden
beispielsweise mit einem Flachdach
– einem Sinnbild der oberen Mittelschicht
– versehen. Unterschiede dieser Art resultierten
nach dem Krieg hauptsächlich aus
der Ost-West-Trennung.
Die rasante Entwicklung des
Städtebaus in den Donaumetropolen
Ein Potpourri aus zahlreichen Baustilen –
so lässt sich das Ergebnis der Stadtplanung
des 20. Jahrhunderts in Budapest und Wien
beschreiben. Nicht nur das Flussufer der
Donau, sondern auch Grünräume innerhalb
des Orts dienten als städtebauliche Erweiterungsflächen.
Nicht ästhetisch, aber vor
allem praktisch waren die Wohnungen, die
damals für mehr als 100.000 Menschen gebaut
wurden.
Ein essenzielles Thema war in der Architektur
des 20. Jahrhunderts auch die Geschwindigkeit.
Überführungen, Tunnel und
Straßen wurden gebaut, um die Reisezeiten
innerhalb der Siedlungsgebiete zu verkürzen.
Mit technologischem Fortschritt wurde
jedoch nicht in erster Linie die Fahrzeit
verkürzt, sondern die Stadt in der Fläche
ausgeweitet. Eine Folge dieser Zerstreuung
war unweigerlich ein noch größeres
Verkehrsaufkommen, das sich zur Problemquelle
entwickelte, jedoch zum Anstieg der
Geschwindigkeit in puncto Fortbewegung,
aber auch in Anbetracht des neuen Lebensstils
in den Metropolen an der Donau passte.
Zur Ruhe kam der bisweilen als rücksichtslos
anmutende Städtebau erst im Verlauf
der 1970er Jahre. Mit den radikalen Maßnahmen
der Planung stieg in der Bevölkerung
nämlich gleichzeitig das Bedürfnis,
die historische Bausubstanz zu schützen.
Während in der Nachkriegszeit der Wiederaufbau
sowie die Errichtung von Wohnungen
Vorrang hatten, gewann mit Fortschreiten
des Jahrhunderts der Historismus in
beiden Städten an Bedeutung. Sowohl in
Wien als auch in Budapest zeigte sich dieser
Trend durch eine erhöhte Bereitschaft
zur Restaurierung älterer Bauwerke. Als die
Städte anfingen, immer größer zu werden,
nahmen auch die Grünflächen im urbanen
Raum einen immer höheren Stellenwert
ein – dieser Prozess wurde auch als innere
Suburbanisierung bezeichnet und spiegelte
den Wunsch nach Eigenheim und dörflicher
Ruhe wider. Sowohl in Budapest als
auch in Wien stillten Planer dieses Bedürfnis
mit dem Bau von Mehrfamilienwohnungen
am Stadtrand. So hielt mit der Zeit die
ländliche Idylle am Stadtrand Einzug – ein
Wohntrend, der sich nicht nur in den beiden
Großstädten, sondern auch in ganz Europa
heute noch großer Beliebtheit erfreut.
Friedrich-Engels-Platz
© WStLA, Presse- und Informationsdienst, FA1: 56170/324
/www.architektur-online.com